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Könnte mir mal jemand einen Rotstift leihen? Warum fragt ihr? Fragt ihr das nun wirklich? Ich würde gerne den gestrigen Tag in den Ausverkauf geben, ihn abschieben, freigeben zum Verstauben. Ihn einfach streichen, sinn- , geruchlos und von Werten befreit. Oder mag ihn jemand geschenkt haben? Gerne übernehme ich das Porto und sende ihn pronto per Expresspostboten dem neuen Besitzer. Ins liebevoll gepackte und mit Schleifen versehene Päckchen lege ich dann noch ein paar „Du tust mir leid- Zeilen“ hinein.
Mag ihn nun wirklich niemand haben, den meinen gestrigen Tag? Ganz ehrlich? Ich kann euch verstehen. So insgeheim kann ich es wirklich, wenn ich es auch nie und niemals zugeben würde. Ich wollte ihn auch nicht, aber das dumme Schicksal befand es wohl wieder mal an der Zeit, mir eine Lektion erteilen zu müssen, damit ich auch immer schön bodenständig bleibe und nicht abhebe bei allem Seelenglück, das sich in mir nieder gelassen hat.
Angefangen hat ja alles schon in der Nacht zuvor. So mittendrin und schlagartig. Ich wachte auf und besuchte das Badezimmer. Da schaute ich dann beim Hinausgehen auf die Uhr, die mir erzählte, dass es 2.30 Uhr in der Früh war. Also ab ins Bett zurück, meinem Inneren gesagt, dass es noch zu früh ist, meine Gedanken aus den Federn zu werfen. Irgendwann schliefen meine Augen dann auch mittendrin im Denken wieder ein. Kaum ein paar Minuten später schlugen meine Gedanken um sich und wollten auf die Reise. Innerlich heulend stand ich wieder auf meinen Beinen, schlurfte zur Uhr im Bad und stellte fest, dass es mit 4.15 Uhr eigentlich immer noch zu früh ist. Aber was soll`s? Da ich den Wecker auf 5.30 Uhr gestellt habe, um mich ausreichend zu einem Termin um 7 Uhr fit zu fühlen, blieb ich nun auch auf. Jetzt nochmal in den Traum der schlafenden Gemüter zu versinken, hätte ein fatales Verschlafen zur Folge gehabt. Also Kaffee geholt, langsam erwacht und dann ins Bad, duschen, anziehen und im Anschluss während dem Zähneputzen meinem Spiegelbild ein paar Grimassen entgegen werfen. Gesagt, getan und gut ist.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich einen Termin hatte? Ja? Hatte ich bereits? Na gut, dann weiter im Text. Mein Auto musste in die Werkstatt. Eigentlich der Wagen meiner Tochter, der aber vor ein paar Wochen auf mich angemeldet wurde. Meine Tochter macht zurzeit den Führerschein, doch den Wagen hat sie sich bereits gekauft, da die Gelegenheit und der Wagen günstig war, es zudem auch noch ihr kleines Traumauto ist. Bislang stand dieses Auto noch auf dem Parkplatz ihres Vaters, frischer TÜV, von Schäden repariert und wartete darauf, bis ein neuer Führerschein das Licht der Welt erblickt. Da unser Auto nun in die Werkstatt musste mit einer etwas langwierigeren Sache, da die Ersatzteile für diesen Wagen nicht so leicht zu finden sind, kam es gerade recht, dass das Auto meiner Tochter darauf wartete, wieder gefahren zu werden. In meinem Job muss ich nun mal bestenfalls mobil sein, denn die Termine für die Betreuung sind oftmals engmaschig und auf die Zeit ausgelegt, die man mit dem Auto benötigt um von Klient A zu Klient B zu kommen.
Also, unser Auto in der Werkstatt- Töchterchens Auto angemeldet und alle waren zufrieden. Die ersten drei Wochen waren auch kein Thema. Das Auto lief und fuhr munter auf seinen vier Rädern umher. Bis letzte Woche zumindest. Da begann der Wagen im Leerlauf immer lauter zu werden. Der nächste Weg an diesem Tag war dann der zu einer Prüfwerkstatt. Dort bekam ich einen Termin für gestern Morgen 7.00 Uhr und man meinte, bis dahin könnte ich die nötigen Fahrten unternehmen, ohne dass mir der Motor um die Ohren fliegt. Vermutung liegt nahe, dass der Leerlaufmesser nicht mehr richtig funktioniert und bei baldiger Reparatur kein größerer Schaden entstehen kann, außer dass er mehr Benzin braucht. Meine Hoffnung, für die Wartezeit bis zur Reparatur von der Werkstatt Rabattmarken fürs Tanken zu bekommen, blieb einsame Hoffnung. Schade eigentlich.
Nun hat sich meine Freundin angeboten, mit mir zur Werkstatt zu fahren und mich dann wieder nach Hause zu bringen. Wir verabredeten uns, gesagt, getan, wir fuhren also getrennt und den Heimweg gemeinsam. Auf dem Weg meinte sie dann, dass sie eben auch noch in die Werkstatt ihres Vertrauens möchte, um ein kaputtes Rücklicht auswechseln zu lassen. So hielten wir dann dort und der Service- Mitarbeiter versprach, das Lämpchen gleich auswechseln zu lassen und lud uns auf einen Kaffee in der Warteecke ein. Den Service wollten wir uns doch nicht entgehen lassen und setzten uns dann an einen der dort stehenden Tische, genossen den Kaffee und ich erzählte meiner Freundin eine lustige Episode, die sich am Wochenende beim, bzw. nach dem zweiten Treffen meiner neuen Gruppe zugetragen hat, die ich als Freizeitaktion im Rahmen meines Jobs anbieten darf.
Als ich dann anbot, zwei der teilnehmenden Damen noch ein Stück mit dem Auto mitzunehmen, habe ich noch nicht gewusst, dass ich mir zwei „Drama- Queens“ ins Auto geladen habe, die sich gegenseitig emotional so hochpushten, dass mir Angst und bange wurde. Verzweifelt versuchte ich diese munitionsgeladene Stimmung wieder zu entschärfen, was mir erst beim dritten Anlauf durch einen Themawechsel gelang. Im Nachhinein gesehen, war es ein Slapstick der feinsten Sorte über den ich heute noch herzhaft lachen muss. Solche Episoden spiegeln beim Erzählen auch erst dann den wahren Humor wider, wenn sie mit den vorhandenen Emotionen erzählt werden.
Um es noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen:
Es begab sich irgendwo in Deutschland, frühmorgens um 7.15 Uhr in irgendeiner Kaffeeecke in irgendeinem Servicebereich irgendeiner Werkstatt. Nicht irgendeiner, sondern meiner Freundin erzählte ich dort nun mein Erlebnis mit gedämpfter emotionaler Stimme (so dachte ich).
In der Warteecke saßen noch drei weitere Personen. Eine junge Dame, ein älterer Herr und hinter meinem Rücken eine weitere ältere Dame, auf jung getrimmt, mit Storchenbeinen in eine gesprenkelte Storchenjeans gequetscht, Barfußsommersandalen, aus der rotglänzende Nägel hervorblitzten. Ein Motorbike- Lederblouson obenherum, aus der ein, nicht ganz faltenfreier Storchenhals hervorlugte, der ein nicht faltenfreies Gesicht zum Besten trug. Die Krönung war dann noch, die aschblond gefärbte und toupierte Haarpracht.
Ihr merkt schon, dass diese Lady meinen Sarkasmus geschürt hat. Aber glaubt mir – Sie hat ihn mehr als verdient. Hätte sie mal etwas gesagt, dann hätte ich ihr die passende Antwort geben können. Aber dadurch, dass sie ihre rollenden Augen und ihr ständiges Aufstöhnen und Giftblicke hinter meinem Rücken in meine Richtung warf und keinen Ton von sich gab, habe ich gar nicht bemerkt, was sie tat. Nur meine Freundin bekam es mit, konnte den Blick nicht von der Lady wenden und meinte dann irgendwann, mittendrin in meiner Erzählung »Kommst du mit nach draußen? Ich möchte gerne eine Zigarette rauchen« Na gut, dachte ich. Dabei hätte ich meine Geschichte schon fast fertig gehabt und war ein wenig enttäuscht, da ich dachte, es interessiert sie nicht so richtig, was ich zu berichten hatte.
Bin also mit und draußen klärte mich meine Freundin darüber auf, was so hinter meinem Rücken passierte und sie sich deshalb nicht konzentrieren konnte, meinem Bericht zu folgen. Besänftigt ließ ich mir nun von meiner Freundin erzählen, was diese Lady so alles veranstaltet hat und meinte, dass es wohl immer wieder Leute geben wird, die, wenn sie Ruhe suchen, besser in die Kirche gehen sollten, anstatt sich in aller Hergottsfrühe in den Warteecken einer Werkstatt aufzuhalten. Ich kann doch schließlich auch nichts dafür, dass meine Gedanken und mein Mund am frühen Morgen schon so munter sind. Wenn sich die gute Lady mal mit Stimme geäußert hätte, anstatt stummfischartige Grimassen zu schneiden und die Augen zu rollen, hätte ihr geholfen werden können. Habe ja auch schließlich keine Augen im Rücken, oder?
Irgendwann und recht schnell war dann das Rücklicht ausgetauscht und meine Freundin brachte mich nach Hause. Ihr denkt nun, ich habe fertig mit meiner Story und meinem gestrigen Tag? Weit gefehlt. Der Tag ging weiter, wie er begonnen hat. Ein Ding kommt selten allein, da muss bei mir noch gleich ein weiteres Dilemma folgen.
Am Morgen bekam ich einen Anruf von meinem Klienten, mit dem ich für gestern einen Betreuungstermin vereinbart habe. Nennen wir den Klienten einfach mal Robert. „Robert“ ein ganz netter und zugänglicher Mensch mit einem geistigen Handicap. Robert rief mich an und sagte, dass er mich informieren wollte, dass er im Krankenhaus liegt und ich doch ein paar Sachen, die er benötigt, dorthin bringen möchte. Ich ging also ins Büro, wo einige Zweitschlüssel der Klienten deponiert sind und holte mir den von seiner Wohnung. Am frühen Mittag war mein Töchterchens Auto wieder repariert, fuhr mit dem Taxi hin und war nun wieder selbst fahrbereit. Ich fuhr zu Roberts Wohnung, packte eine Tasche mit den Dingen, die man für einen KH- Aufenthalt benötigt und machte mich auf den Weg. Ein kurzer Anruf auf Roberts Mobiltelefon, in welchem Krankenhaus er sich denn nun befindet und gut.
Nun muss ich noch erwähnen, dass es hier im Umkreis einige Krankenhäuser gibt. Zwei im Umkreis von 7 km und eines in der nächsten Kreisstadt, welches dann auch nach ca. 15 km erreicht ist. In der Bonner und Kölner Gegend gibt es dann noch jede Menge weitere Kliniken, von denen aber in der meinen Geschichte hier aber keine eine weitere Rolle spielten. Robert meinte, er läge im St. Josef KH auf Station 2 a in Zimmer mit einer 4 auf der Türe. Ich fuhr dorthin, ging hinein und mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage. Dort ausgestiegen, sah ich, dass es keine Station 2 und noch weniger 2a gibt, sondern, dass auf dieser Etage die Seelsorge beheimatet ist. Mit dem Fahrstuhl dann auf Station 4 a und 4 b, dort bei der Stationsschwester nachgefragt. Der gute Robert war dort nicht bekannt. Bei einem nochmaligen Anruf bei Robert, bestätigte er nachdrücklich und voller Überzeugung, dass er doch in diesem Krankenhaus sei.
In den Fahrstuhl zurück, runter zur Information und dort nachgefragt. Der Patient war nicht im System, aber vielleicht noch in der Ambulanz? Dort angekommen, bekam ich das Gleiche zu hören, wie an der Information »Nein, dieser Patient war heute noch nicht hier und stationär erst recht nicht. Vielleicht ist er aber auch im Johannes- Hospital. Moment, ich rufe dort an und frage nach.« Fehlanzeige, denn auch dort war er nicht bekannt. Ich bin dann wieder zum Auto zurück, rief wieder bei Robert an und fragte, ob er eine Klingel am Bett habe. Die solle er drücken und mir die Schwester ans Telefon geben, sobald sie ins Zimmer kommt. Nach einer Weile kam sie dann auch dran, ich stellte mich vor und fragte, in welchem KH sich denn nun Robert befinden würde. Er war dann letztendlich in der nächsten Kreisstadt, wo ich ihn gar nicht vermutet hätte.
Die Tasche kam dann endlich an und ich war froh, in der Tiefgarage neben dem KH noch einen Parkplatz gefunden zu haben. Etwa eine Stunde blieb ich dann noch dort und machte mich wieder auf den Weg zum Auto. In der Garage angekommen, stutzte ich. »Hier hattest du doch geparkt! Genau hier, das weiß ich doch noch! Oder war es doch eine halbe Etage höher? Nein, dort auch nicht! Vielleicht noch eine höher oder aber weiter unten noch eine weitere Etage runter? Auch nicht. Das würde mir jetzt noch fehlen! Das Auto, dieses Auto wird doch wohl niemand klauen wollen, oder etwa doch? Habe ich alles abgeschlossen, als ich ausstieg? Ja, ganz sicher habe ich das doch, oder? Das fehlt mir heute jetzt noch, dass wäre der krönenden Abschluss eines Tages gewesen, um den ich nie und nimmer bitten würde.
Wie gesagt, ein Tag, den ich lieber verschenken würde. Ich brauche sowas nicht. Nicht jetzt und auch in Zukunft nimmer!« So grollte ich innerlich noch eine ganze Weile rum, lief gefühlte zwanzigeinhalb Mal hoch und runter in dieser Garage und plötzlich sah ich ein bekanntes Nummernschild! Ohh, da steht er nun doch, alles ist gut und langsam kam auch die Farbe wieder in mein Gesicht zurück.
Nach einem weiteren Termin bei einem weiteren Klienten, konnte ich mich dann endlich auf den Nachhauseweg machen und das bisschen Restabend endlich nun ohne weitere Zwischenfälle genießen.
Wenn ich jetzt mal darüber nachdenke, nehme ich vielleicht doch lieber mein Angebot vom Anfang dieser Geschichte wieder zurück. Wenn ich den Tag verschenken würde, hätte ich auch nichts mehr zu erzählen und es läge für den heutigen Tag wieder mal ein weißes Blatt Papier auf dem Boden meines Blogs herum und würde vom Winde verweht. Unbescholten, Buchstabenlos und leer. So bin ich denn dann doch froh, den Rotstift nicht in meine Finger bekommen zu haben *lächel* ❤
Euch wünsche ich nun einen wunderbaren und entspannten Tag heute, der mit einem Lächeln beginnen und mit einem Lächeln zur Nacht beendet wird.