
Es begab sich einmal zu einer Zeit, die schrieb das Jahr 2025, gerade zwei Tage her. Eine Reise, welche ich unternahm, um die Schatten meiner Vergangenheit zu besuchen. Zu schauen, wie es ihnen ergeht, vor allem aber, wie es mir, dem heutigen Ich beim Besuch des kleine Ichs, ergeht. Ob diese Schatten wohl immer noch die gleiche Wirkung auf mich haben, wie damals?
Im Laufe der Jahre hat sich vieles verändert. Fast ein halbes Jahrhundert, in dem ich vieles hinter mir gelassen habe, ich viele Stationen des Lebens erlebt, überlebt und gelebt habe. Hier und da ein Päckchen Sorge, ein Päckchen Glück, ein Päckchen Zuversicht und Optimismus, gepaart mit vielen weiteren Emotionspäckchen in mein Reisegepäck auf- und mitnahm.
Paradoxerweise und schicksalhaft lebe ich heute in einer Wohnung, die genau gegenüber dem Haus liegt, in dem damals alles begann.
Die Reise eines kleinen Mädchens, zu der Zeit gerade mal 4 Jahre alt, dem vieles angetan wurde. Der Peiniger war ihr eigener Erzeuger. Neben der Erzeugung gab er dem Mädchen nicht viel Gutes mit, benutzte es als sein Eigentum ohne Respekt und Fürsorge für ein hilfloses Wesen, welches einem vom Leben anvertraut wird.
Das Leben wollte es wohl auch, dass die Schattenorte recht nah aneinanderliegen und diese Reise keine lange Anfahrt benötigten.
Auf dieser Reise hat mich eine gute Freundin begleitet und das erwachsene Ich erzählte auf der Fahrt von dem kleinen Ich, dem Mädchen und inneren Kind, welches sich im Laufe der ersten Jahre so verloren fühlte. Obwohl die Freundin die Geschichte bereits früher schon kannte, war sie erschüttert, wie nah die Realität doch war, wenn man die Orte des Erlebens und mehr noch des Überlebens tatsächlich besucht.
An die erste Station, dem Haus gegenüber konnte sich das erwachsene Ich nur schemenhaft erinnern. Außer, dass bereits dort Dinge vorgefallen sind, die nicht sein durften.
Der zweite Schicksalsort liegt gerade mal etwa einen Kilometer entfernt im Nachbardorf. Eine Wohnung, genau neben einem Spielplatz. Zu dieser Zeit war das kleine Ich bereits kurz vor der Einschulung. Die Schule ein paar hundert Meter entfernt.
An diese Zeit hat das Mädchen ein paar präsente Erinnerungen, die aufgrund der traumatischen Erfahrungen, der vom eigenen Kopf dennoch mit Lücken durchzogen wurde. Heute weiß ich, dass es reiner Überlebensmechanismus ist, die Dissoziation des Gehirns, eine Schutzfunktion des Körpers.
Während und an der zweiten Station war das kleine Ich bereits sechs Jahre jung und wurde in die Dorfschule eingeschult.
Etwa zur Mitte des dritten Schuljahres zog die Familie, derer nun mittlerweile ein weiteres Mädchen angehörte, in das nächste Haus, welches ebenfalls in der Nähe liegt. Diesmal in etwa drei Kilometer Entfernung. Das Haus, in dem sich weitere dramatische Szenen abgespielt haben. Das kleine Ich kann sich an einzelne Episoden noch recht gut erinnern, die auch heutzutage noch Seelenschmerzen hervorrufen. Aber auch Wut und Mitleid für das innere Kind, welches dem allem so ausgeliefert war.
Hier in dem dritten Haus ist das lange Martyrium auch mit einer Dramaturgie, welches wahrlich das Zeug zu einem Psychothriller hatte, zu Ende gegangen und das Leben schrieb das Jahr 1976. Das kleine Ich war zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre jung. Ein Wesen, welches die Kindheit nur bis zum 4. Lebensjahr erleben durfte. Aber wohl auch nur deshalb, da es bis dahin in der großmütterlichen Obhut aufwachsen durfte, da beide Elternteile arbeiten gingen.
Zu Ende ging es mit einem lauten Knall, welches aus einer Waffe stammte, welches der Erzeuger sich, nachdem er die Waffe zwei weitere Male benutzt hat, damit Menschen verletzt hat, an den Kopf hielt und abdrückte. Manche würden sagen, dass es Feigheit war, sich einfach so aus dem Leben zu stehlen, ohne die Verantwortung für sein Tun übernehmen zu müssen. Andere, so auch ich bin froh darüber, dass dieser Mensch seinem Leben ein Ende gesetzt hat.
Heute noch bin ich dankbar dafür, dass er dem kleinen Ich so das Überleben gesichert hat und dem heutigen Ich die Chance gegeben hat, mit beiden Beinen im Leben zu stehen.
Fazit aus der Reise ist nun die folgende…
Wenngleich auch ein gewisser Schmerz empfunden wird, bei der Erinnerung an längst vergangene Zeiten, habe ich dennoch das Gefühl, mehr noch die Gewissheit, dass mich die damalige schlimme Zeit auch mit positiven Aspekten geprägt hat.
Das Einfühlungsvermögen, welches ich heute besitze, meine Empathie, die Sensibilität gerade gegenüber Menschen, die unsere Hilfe benötigen aufgrund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen oder ebenso traumatischen Erfahrungen, ist sehr ausgeprägt.
Mein beruflicher Lebensweg hat sich nach den vielen anderen Ausbildungen zum heutigen Beruf als Heilerziehungspflegerin mit dem meinem Lebensweg verpaart und damit genau den Platz gefunden, für den ich bestens geeignet bin. Den Menschen zu helfen, die es nötig haben. Eine weitere Ausbildung (Traumapädagogik und traumazentrierte Fachberatung) läuft derzeit noch bis zum folgenden Jahr und findet damit den meinen Höhepunkt.
Ich habe mich im Laufe meines Lebens den, mir auferlegten Herausforderungen gestellt, mir Mut und jede Menge Resilienz angeeignet, dass es sogar ausreicht, davon an meine Mitmenschen genügend zu verteilen. So schnell kann mich nichts aus der Bahn werfen… außer dem kürzlichen Verlust, den ich zu verarbeiten habe. Aber auch das werde ich angehen, wenngleich es die bislang schwerste Aufgabe sein wird, die mir das Schicksal auferlegt hat.


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