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😦  Lieb Väterchen, magst ruhig sein

Meine Müdigkeit und mein Unterbewusstsein haben mich vergangene Nacht mal wieder nicht in die Tiefenentspannung geschickt. Die Gedanken waren noch viel zu beschäftigt, ließen mir einfach keine Ruhe. Im Laufe der Nacht bin ich oftmals aufgewacht und mehrmals aufgestanden, bis ins Wohnzimmer gegangen, auf die Uhr geschaut, festgestellt, es ist noch viel zu früh um zu schreiben :“Was sollen da bloß die Nachbarn denken?“ Sprach`s und lächelte leise vor mich hin und ging wieder ins Bett, um mich wieder in den Schlaf zu träumen.

Jedoch kann ich bis jetzt, nachdem die Uhr erträgliche Zeiten anzeigt, noch nicht feststellen, dass ich von den Schlaf- Wach-Aktionen gerädert bin. Das kommt bestimmt irgendwann am Spätmittag, wenn ich mich in Ruhe hinsetze und den Morgen gedanklich an mir vorbeiziehen lasse mit seinen Erlebnissen. Na, vielleicht halte ich auch einen kleinen Mittagsschlaf. Einen ganz klitzekleinen von dreißig Minuten oder so. Soll ja sehr gesund und erfrischend sein, habe ich mir sagen lassen. Jedoch nur eine halbe Stunde, alles weitere macht nur noch mehr müde und träge.

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Längst ist der Mittagsschlaf nicht mehr nur ein „alte- Leute- Syndrom“, sondern wird auch ohne weiteres von vielen jüngeren zelebriert, die darauf schwören und damit prahlen, danach wieder Bäume ausreißen zu können. Na ja, zumindest die ganz kleinen Zöglinge, gerade in der Baumschule eingekauft und eingepflanzten *lächel* Bevor sich aber nun meine Gedanken in den Blattwipfeln der jungen Bäume verirren, möchte ich für euch zunächst meine heutige Erzählung niederschreiben.

Meinen heutigen Mann habe ich damals kennen gelernt und trotz unserem schon erlebtem Leben, er war zu dem Zeitpunkt 53 und ich 39, war ich denn doch recht gespannt und ein bisschen nervös in „Backfischmanier“, als es dann hieß:“ Wir fahren zu meinen Eltern“.

Seine Eltern, beide, da schon im stolzen Alter von fast 80 Lenzen, lebten noch unter selbstständiger Haushaltsführung mit allem „Drum und Garten- Dran“ in einem Einfamilienhaus am schönen Niederrhein. Vater war schon zu dem Zeitpunkt lange pflegebedürftig, hatte er bereits schon im Alter von 28 beide Unterschenkel durch Prothesen ersetzt bekommen nach einem Zugunglück.

Trotz des Handicaps hat er mit Unterstützung seines Bruders ein Haus für die Familie gebaut. Fuhr auch jeden Tag über 30 km mit dem Roller zu seinem Arbeitsplatz und rannte mit seinen „Zweitbeinen“ noch schneller, als seine drei Söhne, wenn die mal wieder was ausgefressen hatten.

Mutter hat sich immer sehr fürsorglich um die Familie gekümmert und mit den drei Söhnen und ihrem Mann mit leichter Feldwebelmanier  hatte sie es auch nicht immer leicht, sich als einzige Frau im Hause durch zu setzen. Sie tat ihr Bestes und hat das Beste auch geschafft. Aus ihren Söhnen wurde was und auch ihr Mann wurde im Laufe der Zeit auch ruhiger, aber keinesfalls pflegeleichter.

Zu dem Zeitpunkt, als ich meines Mannes Eltern kennen lernen durfte, hatte Vater schon seit einiger Zeit mit beginnender Demenz zu kämpfen, was den Umgang mit ihm nicht gerade erleichtert hat. Zumindest für Mutter, die sich tagtäglich aufopfernd um ihn kümmerte und das auch noch ganz alleine.

Der älteste Sohn, Günter, mein Mann, war die meiste Zeit im Ausland, der Arbeit wegen, der mittlere wohnt mit Familie und Job auch nicht gerade sehr nah am Elternhaus im Heimatland  und den jüngsten, Herbert verschlug es in fast 500 km Entfernung nach Schleswig Holstein der Liebe wegen und einer eigenen Konditorei. Allenfalls kam Werner, der mittlere regelmäßig mit Frau und Kindern an den Wochenenden, um seine Mutter zu unterstützen. Ansonsten traf sich regelmäßig die ganze Verwandtschaft meist nur zu Feiertagen, Jubiläen und Geburtstagen bei „Muttern und Vatter“.

Ich begegnete ihnen und habe beide gleich beim ersten Treffen ganz tief in mein Herz geschlossen und war voller Bewunderung, was sie beide, trotz ihres Alters noch zu leisten vermochten und wie fit sie in Körper und Geist noch waren. Über ihre kleinen und größeren Wehwehchen wurde ganz einfach weggeschmunzelt und gesagt:“ Uns geht es prima! Solange wir noch unsere Alltäglichkeiten bewältigen können, sind wir doch mehr als zufrieden. Es geht zwar alles nicht mehr so schnell wie früher, aber was soll`s?“

Mutter ist dann in den folgenden Jahren öfter mal auf glatten Flächen gestürzt, hat sich das Handgelenk gebrochen und hat sich bei weiteren anderen Stürzen einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen, welcher dann nach mehreren Op`s, wo letztlich auch ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt wurde, jedoch dann durch falsche Krankengymnastik eine weitere Op durchgeführt werden musste, welche sie dann leider nicht mehr überstanden hat.

Vater ist während der Krankenhaus- Aufenthalte seiner Frau zur Kurzzeitpflege und nach ihrem Tode ganz in das Pflegeheim gezogen, welches dort in dem Ort als recht fortschrittlich gilt und einen guten Ruf hat. Den guten Ruf, ganz klar, der muss auch dementsprechend bezahlt werden und längst nicht jeder kann sich ein solches Pflegeheim leisten. Vater, der immer ganz gut verdiente und seine Renten, teilweise vom Krieg und seine Versehrten- Rente der Knappschaft vermochten dann, zum großen Teil, die immensen Kosten dieser Ganzheitspflege zu tragen.

In dieser Zeit bin ich ständig zwischen Deutschland und Afrika (Kairo und Äthiopien) hin- und her gependelt, da ich meinen Mann ja vermisste und die täglichen Skype- und sonstigen Anrufe irgendwann nicht mehr ausreichten. Wenn ich dann hier in Deutschland war, fuhr ich in der Woche auch für mindestens zwei bis drei Tage an den Niederrhein und blieb den Tag über im Pflegeheim bei Vater und übernachtete im Haus der Eltern.

Morgens früh, nach dem Frühstück fuhr ich dann zum Heim und Vater wartete dort mit seinem Frühstück immer darauf, dass ich ihm Gesellschaft leiste. Da er aufgrund seiner Diabetes auch kaum noch sehen konnte; „Waschküchengleich“ nannte er es immer, half ich ihm beim finden seiner Kaffeetasse und seinen „Brot- Reiterchen“, die er dann genüsslich zum Mund führte. Aber auch nur, weil er Gesellschaft hatte. Sonst war er meist nur nach mehrmaligem Bitten dazu bereit, mal hier und da einen Bissen zu sich zu nehmen.

Er hat es immer sehr genossen, wenn ich mal wieder ein paar Tage da war. Es hat sich dann ein regelmäßiges Ritual ergeben. Morgens, nach dem Frühstück habe ich ihm dann erzählt von dem Fenster- Ausblick, was ich dort sehe und wie das Wetter heute ausschaue. Dann habe ich seine Hände und Unterarme mit einer Feuchtigkeitscreme leicht massiert, da sie von den Desinfektionsmitteln und Seifen der täglichen Waschprozedren der Pfleger/ Innen ständig rau waren. Danach haben wir, sofern es draußen trocken war, im kleinen parkähnlichen Rundgang unseren Spaziergang gemacht. Er im Rollstuhl, denn für kurze Laufübungen konnten wir nur den Flur mit seinen Handlauf- Holzleisten an der Wand nutzen.

Im Park stand eine riesige und schwere Eiche, um deren Stamm eine Holzbank gebaut war. Dort haben wir eine kurze Sitzpause für mich eingelegt, da der Rollstuhl mit der Zeit doch relativ schwer zu schieben geht. Wenn wir unter dem Baum saßen, hat mich Vater jedes Mal gefragt: „ Hast du denn wieder etwas leckeres für Vattern dabei?“ Habe ich ihm doch bei jedem Besuch Bonbons oder Schokolade mitgebracht und auch ständig in der Tasche für solche „Notfälle“ mit dabei. Er lutschte dann genüsslich mit einem Lächeln das Bonbon und freute sich schon da auf Nachschlag *lächel*.

Während wir dann so unter dem Baum saßen, versuchten wir die verschiedenen Vogelstimmen zu sortieren und erkennen. Sein Gehör war da noch einigermaßen intakt und er konnte viele der zwitschernden Vogelstimmen erkennen. Nach unserer „Pause“ setzten wir unseren Rundgang fort und letztendlich kamen wir wieder in seinem Zimmer an. Er erzählte mir oft von früher, welches aber ganz üblich ist bei den, an Demenz erkrankten Menschen. Erlebnisse von früher behalten sie immer sehr gut in Erinnerung, jedoch das Kurzzeitgedächtnis wird immer weniger.

Irgendwann kam dann das Mittagessen und ich half ihm dabei ebenso, wie beim Frühstück und habe ihn meist dazu bekommen, noch ein wenig mehr zu essen, als er es ohne Zuspruch getan hätte. Nach dem Mittagessen wurde er dann meist ein wenig müde und ich wollte mich für die nächsten, wenigen Stunden verabschieden, um selbst zu essen und ein wenig zur Ruhe zu kommen. Mehr als einmal hat er mich flehentlich gebeten, ihn doch nicht allein zu lassen. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, ganz bald wieder zu kommen.

Am Spätnachmittag meist tat ich es auch und er freute sich jedes Mal, wie kleine Kinder sich sonst nur freuen können. Dann erzählten wir wieder und nach einer Weile sind wir dann auf den Flur der Station, um ein wenig zu laufen. Die eine Hand hatte er dann am hölzernen Handlauf und mit der anderen Hand stützte er sich auf meinen Arm. Einmal den Flur hoch und wieder zurück, bis kurz vor seiner Zimmertüre, wo der geparkte Rollstuhl stand.

Nach der Übung sind wir dann, wenn das Wetter es erlaubte, auf den Balkon gegangen, der sich bei der Station befand und setzten uns zu den anderen Bewohnern und tranken Kaffee und der neueste Klatsch aus der Seniorenresidenz wurde dann ausgiebig auseinander klamüsert und beurteilt. Wir haben viel gelacht über so manche lustigen Episoden, die auch in einem Pflegeheim tagtäglich passieren.

Ein älterer Herr und Bewohner hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die älteren Mädels zu erschrecken und in Schreikrämpfe zu versetzen, wenn er dann vor ihrer Türe stand und seine Hose herab ließ. Das Pflegepersonal musste ihn dann vor der jeweiligen Türe auflesen und in sein Zimmer zurück bringen. Die Dame, die dem Schreikrampf verfallen war, wurde beruhigt, bis der Schreck nachließ.

Ein anderes Mal ist eine Bewohnerin wieder mal vermisst worden. Sie büxte ständig aus dem Pflegeheim aus und fand nicht mehr zurück. Sie wurde oftmals vom Pflegepersonal gesucht und manches Mal davon musste auch die Polizei ausrücken und hat sie wieder zurück gebracht.

Als ich wieder mal für einige Tage dort war und Vater besuchen wollte, rief mich die Bewohnerin Frau B., die im Nebenzimmer von Vater wohnte, zu sich und erzählte mir im Vertrauen von den neuesten Begebenheiten. Diesmal ging es hierbei um meine Person. Da hat sich doch jemand vom Pflegepersonal in Beisein von Frau B. darüber beschwert, dass ich Vater viel zu oft besuchen würde, schließlich wäre das Personal dafür zuständig, sich um die Bewohner zu kümmern. Dafür würde das Haus nun mal schließlich auch bezahlt. Ob sich da Besorgnis breit gemacht hat, ich könnte Beschwerde einlegen, weil sich nicht genügend gekümmert würde? Ich weiß es nicht.

Dann wurde darüber geredet, dass ich es ihnen erschweren würde, ihn ins Bett oder auf die Toilette zu helfen, indem ich seine Hände und Arme eincremen würde. Seine Haut wäre danach viel zu glatt und man hätte Angst, dass er ihren Händen entgleiten könnte. Dabei habe ich stets darauf geachtet, eine Feuchtigkeitscreme zu nehmen, die ohne Rückstände in die Haut einziehen kann.

Des Weiteren wurde darüber gesprochen, dass es immer erschwerend wäre, Vater wieder auf Pflegelevel herunter zu bekommen. Sprich, er wäre durch die viele Zeit, die ich mit ihm verbracht habe, ziemlich verwöhnt worden und das Pflegepersonal hat nun mal nicht die nötige Zeit über, sich so intensiv mit ihm zu beschäftigen. Er fragt ständig:“ Wann kommt endlich Heike wieder? Kommt sie denn gleich auch?“

Ok. Einerseits kann ich es verstehen. Es ist nicht einfach und einfach auch viel zu wenig an Pflegepersonal vorhanden um, wie dort zu dem Zeitpunkt 23 Bewohner in unterschiedlich hohen Pflegebedürfnissen und Stufen zu versorgen mit gerade mal 2 Pfleger/Innen und vielleicht noch einer Pflegehelferin oder Praktikantin. Anträge an die Heimleitung wegen mehr Unterstützung wurden stets abgelehnt und gar noch überlegt, ob sich vielleicht immer noch der ein oder andere einsparen lässt um die Gewinne zu maximieren.

Da werden die Menschen, die bettlägerig oder/ und mehr Pflege bedürfen, mit Medikamenten ruhig gestellt, bzw. müde gemacht, um Zeit einzusparen, die man für den nächsten Patienten braucht. Ok, die Pfleger/Innen haben es wirklich alles andere als leicht und sie haben einfach ihren Job zu machen. Sie geben sich alle Mühe und 98% hängen sich mit ihrer Kraft und ihrem Herzen voll in die Aufgaben und bemühen sich liebevoll um die Patienten.

Ich habe größten Respekt vor ihnen. Dabei werden sie von der Wirtschaftlichkeit des Betriebes, sprich Heimleitung, Institution oder aus welcher Art das Pflegeheim auch immer besteht,  ausgenutzt und es wird immer mehr abverlangt, selbst wenn ein „mehr“ fast nicht mehr geht.

Aber wie heißt es doch so schön? Die Nachfrage bestimmt auch hier, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens das Angebot. So lange wir, die Gesellschaft und im kleinen, die Familien nicht darüber nachdenken, werden immer mehr Pflegeheime entstehen. Das Heim, in dem mein Schwiegervater untergekommen ist, ist noch ein gutes und doch sieht man auch dort den Pflegenotstand. Es gibt allerdings, lt. Medienberichten auch andere Häuser, die sich gut bezahlen lassen- Jedoch ihre Bewohner  z. B. nachts ans Bett schnallen, damit sie nicht rausfallen können oder gar die Hygiene vernachlässigt wird.

Ist es das, was richtig ist? Ist es das, was wir unseren Vätern, Müttern, Großeltern zugestehen? Die, die uns groß gezogen haben und die uns immer beigestanden haben? Ist das des Menschen Würde erachten?

Wir als Gesellschaft sollten, müssten mal wieder aus der bestehenden und immer größer werdenden Dekadenz aufwachen und uns Gedanken über unsere älteren Mitbürger machen. Es ist oft so, dass es nicht anders geht, einen Menschen ins Pflegeheim zu geben, weil es aus verschiedenen schwerwiegenden Gründen nicht möglich ist, sie zu Hause zu pflegen.

Jedoch ist auch ein Teil der Familien geeignet, weil Raum, Zeit und Finanzen stimmen, Vater oder Mutter bei sich aufzunehmen. Und doch haben auch solche Menschen ihre Leutchen im Heim untergebracht. Warum?

Wir als Gesellschaft, wir als Menschen und vor allen Dingen wir als Kinder dieser älteren Mitbürger, sollten uns mal Gedanken über eine mögliche Veränderung machen, die es unseren Eltern erleichtert, in Würde ihren Lebensabend, den letzten Lebensabschnitt im Kreise ihrer Lieben zu leben.

Unsere „Alten“ werden immer älter und wir werden immer mehr in den Pflegenotstand hinein rutschen. Die Heime, die jetzt noch die Sahnehäubchen sind, werden irgendwann, wenn es so weiter geht mit der stetigen und immer mehr werdenden Nachfragen, nicht mehr vorhanden sein. Man möge mir die Panik vor dieser Zeit verzeihen, aber ich wünsche mir für mein Lebensende, welches hoffentlich noch weit entfernt ist, eine Ersparnis als Einkommen steigernde Bewohnerin eines Pflegeheims.

Ich weiß nur eines: Meine Mutter wird, wenn es mal soweit ist, kein Pflegeheim bewohnen. Sie wird im „Schoße“ der Familie gut aufgehoben sein. Ob mit oder ohne Pflegedienst, der notfalls hinzu gezogen wird. Wie auch immer 😉

Nun wünsche ich euch noch einen friedvollen Ausklang des heutigen Tages im Kreise eurer Lieben 😉

Liebe Grüße

Heike