
Weiter geht’s mit Horst. Der dritte Teil. Ich vermute fast, so, wie er „evrybodys Darling“ sein möchte, könnte das hier eine Version „neverending Story“ werden. Nur mit dem Unterschied, dass diese Geschichte mitten aus dem Leben gegriffen sind. Aus einem Pool, der mit solchen Schicksalen bis zum Rand gefüllt ist.
Viele unserer Mitmenschen, die mit den gleichen Problemen kämpfen, schaffen es selten, damit offen umzugehen, oder können bislang noch nicht erkennen, dass es da etwas gibt, was zu heilen wäre, was in ein möglichst gesundes Lebensgefühl nicht hineingehört. Sie wissen nicht wirklich, was sie tun können, um aus diesem Teufelskreis wieder herauskommen. Vor allen Dingen ist da das innere Kind, welches sich so sehr nach Anerkennung sehnt, eine verkümmerte Seele, die gestreichelt werden möchte.
Horst bringt mir schon viel Vertrauen entgegen, doch viele der Puzzleteile seines Lebensweges sind schwarz und es ist mühsam, die einzelnen passenden Fragmente zu einem Ganzen zusammenzufügen. Vieles wird in der Vergangenheit passiert sein, was die Seele von Horst so sehr erschüttert hat, dass sie heute leiden lässt.

Ein paar Worte zu mir…
Ich denke gerade nach, wie meine Einstellung gegenüber Horst aussieht. Mir ist durchaus bewusst, dass ich hier einen Arbeitsauftrag habe und zum größten Teil schaffe ich es auch, an die Dinge professionell und sachlich heranzugehen. Aber bei manchen Eigenarten, die Horst „an den Tag legt“, triggert mich das Verhalten und im „normalen“ Leben würden sich Menschen mit einem solchen Verhalten auf nimmerwiedersehen aus meinem Lebensumkreis verabschieden müssen. Wie erkennbar ist, bin und bleibe ich auch nur ein Mensch, der mit seinen inneren Teufelchen kämpft. Meine Engelchen gewinnen dann aber immer wieder den Wettstreit und ich kann in gewohntes professionelles und sachliches Verhalten zurückkehren.
Ein Beispiel, wie erzählt, so geschehen:
Ich begleite seit Jahren in jedem Sommer eine Ferienfreizeit unserer betreuten Klienten mit unterschiedlichen Zielen im deutschen Raum. Von Montag bis Freitag, gemeinsam zumeist mit zwei weiteren KollegInnen. Eine davon war auch in diesem Jahr. An einem der Tage haben wir einen Ausflug in einen Naturpark gemacht, in dem auch eine kleine Bimmelbahn durch den Park fährt, um die Sehenswürdigkeiten und die Tiere zu zeigen. Während der Fahrt erzählt eine Lautsprecherstimme, was es da nun zu sehen gab. An dem Ausflugstag wurde plötzlich aus dem schönen Sonnenscheinwetter ein aus allen Wolken gießender Wasserhahn. Wir warteten zu diesem Zeitpunkt auf die nächste Bahn untergestellt bei der Haltestelle. Vielleicht auch aufgrund des Wetters, haben sich viele Parkbesucher entschlossen, ebenfalls eine trockene Fahrt mit der Bimmelbahn vorzuziehen, anstatt dem Regen zu trotzen.
So auch einige unserer Gruppe und meine Wenigkeit. Ebenso hatte sich Horst entschlossen, die Bahnfahrt mitzumachen. Bevor das Schönwetter uns verließ, hatten wir noch eine kurze Essensrast bei einem Parkrestaurant gemacht. Horst hat sich bei dieser Gelegenheit nicht nur eins sondern drei große Eis auf einmal gekauft und diese innerhalb von wenigen Minuten vertilgt.
Gedanklich nun wieder zurück zur Bahnhaltestelle und Horst, der ebenso auf die Ankunft der Bimmelbahn wartete. Die Bahn kam um die Ecke, die vielen Menschen stellten sich parat, um einen Platz zu ergattern. Bei der Menschenmenge konnte man schon vermuten, dass nicht jeder mitgenommen werden kann. Es waren auch viele Familien mit Kleinkindern und ältere Menschen in den Wartegruppen dabei. Horst reihte sich ein und kaum, dass die Bahn gehalten hat, bahnte er sich einen Weg um die anderen Menschen herum und setzte sich auf einen Sitzplatz. Ich bin fast sicher, dass, wenn Horst bei einer Seenot, ungeachtet von „Frauen und Kinder zuerst“ als allererster das sinkende Schiff verlassen würde nach dem Motto „jeder ist sich selbst der Nächste“.

Eine Eigenart an Menschen, die ich so gar nicht akzeptieren mag und bei der mir einfach nur schlecht werden kann. Hier aber muss ich mich in solchen Situationen immer wieder darauf besinnen, dass es bei Horst wohl eher keine Dreistigkeit ist, die ihn zu solchem Verhalten zwingt, sondern seine tiefverwurzelten Ängste und Nöte, nichts mehr abzubekommen.
Wie ihr seht, auch ich habe mit meinen Teufelchen zu kämpfen und muss mich manchmal zwingen, wieder professionell zu handeln. Das gelingt auch mittlerweile recht schnell und ich schreibe das Erlebte in die imaginäre Erkenntnisliste um Horsts Verhaltensmuster ein.
Hier ist es wichtig, Horst aufzuzeigen, wie er Sicherheiten für sich erhält. Die Sicherheit, dass ihm niemand etwas wegnehmen möchte, am wenigsten sein Essen, welches er selbst bezahlt. Resilienzen wollen aufgebaut werden, Selbstbewusstsein. Erst wenn er das verinnerlicht hat, kann er beginnen, auch nach außen zu schauen und Empathie entwickeln zu können. Hier braucht es auch weitere Unterstützung auf therapeutischer Ebene, die fachlich da nochmal andere Kompetenzen besitzen.
Ein langer Weg, eine lange Geschichte und nun ist für heute auch mit dieser Episode genug.
Fortsetzung folgt…
Ich wünsche euch allen einen wunderbaren Start in die neue Woche mit ganz vielen Wohlfühlmomenten!

Hinterlasse einen Kommentar