Sonnenaufgang 2.10.14

  Schimpfende Rohrspatzen und knurrende Dompteure

Nachts, wenn ich schlafe, dann schlafe ich. Na ja, nicht immer. Hin und wieder und in letzter Zeit immer öfter auch, träume ich. Und manchmal werde ich wach, wenn ich geträumt habe. Als wenn mein Inneres Ich mich weckt und mir sagt: „Jetzt schreibe denn auf, was ich dir im Traum erzählt habe, sonst vergisst du es wieder!“

Mein Inneres ist dabei auch gar nicht zimperlich und zerrt mich sogar dreist aus dem Bett, selbst wenn die Uhr gerade mal 4 Uhr schlägt. So auch heute Morgen. Da ich mich sowieso nicht wehren kann, steh ich dann auf und wecke meine Kaffeemaschine gleich mit auf und setze mich an meinen PC und meine Finger beginnen mit ihrem „Tanz in den Morgen auf der Buchstabentastatur“ 😉

Träume sind allemal Begebenheiten, die unser Unterbewusstsein nicht zur Ruhe kommen lassen. Mögen es Erlebnisse sein, welche wir am Tag hatten oder aber Gedanken, welche noch verarbeitet und nochmal durchträumt werden, bevor sie dann in unseren inneren Gedanken- Schubladen ihren Platz finden. Ebenso werden längst vergangene Lebensabschnitte, erlebte Träume, aber auch unverarbeitete Probleme Bestandteil unserer nächtlichen Traumwelten.

Manches mal sind es auch Erlebnisse anderer Menschen, die Erinnerungen von längst vergangenen Zeiten, längst gelöster Probleme in uns hoch rufen. Letzteres trifft auch auf meinen Traum vergangener Nacht zu.

Es begab sich in der Zeit, als ich mich damals von meinem Ex- Mann getrennt habe und mit meinem Sohn (damals 15) zu meinem Lebenspartner gezogen bin. Mein Sohn Sascha hat ihn von Anfang sehr gemocht. War er doch ein Stiefpapa, welchem die Behinderung so gar nichts ausmachte und ihn als vollwertigen Menschen akzeptiert hat, so wie man es sich nur wünschen kann. Selbst ich, als Mama, komme heute noch nicht gegen diese „Männerfreundschaft“ an, wenn die beiden die Köpfe zusammen stecken. Aber das ist auch gut so und ich freue mich so sehr für meinen Sascha, hat er doch in ihm den Vater gefunden, den er immer vermisst hat.

Meine, damals 12jährigeTochter wollte zunächst bei ihrem Vater wohnen bleiben. Ich nahm es schweren Herzens hin, dass sie diese Entscheidung traf, habe ihr aber auch immer gesagt, sie kann jederzeit zu mir ziehen, wenn sie bereit dazu ist. Ihr tat halt der Papa leid, der ja nun ganz alleine blieb und sie war wohl auch eifersüchtig auf den Neuen in Mamas Leben, der alles durcheinander brachte. Zumindest in ihren Augen und anfänglichen Gefühlen. Heute versteht sie sich bestens mit dem Mann an meiner Seite, den ich längst geheiratet habe. Die Geschichte, welche zur Trennung geführt hat, ist eine weitere Erzählung. Hier würde sie einfach den Rahmen sprengen. Daher dann ein anderes Mal mehr dazu.

Da ich nun nur wenige Straßen entfernt wohnte, hat es sich dann so eingespielt, dass ich dann morgens, nachdem Sascha vom Taxi- Bus zur Schule  abgeholt wurde,  meine Tochter abholte und sie zur Schule fuhr. Nach der Schule und auch an den Wochenenden war Sabrina auch fast jeden Tag bei uns, was mich sehr freute.

Die Zeit verging und Sabrina erlebte ihr erstes großes Verliebtsein mit Spatzen im Hirn und Schmetterlingen im Bauch. Ihr Vater kam, wie ganz viele Väter, nicht damit klar und hätte am liebsten sämtliche, in Frage kommenden Jungs, in die Verbannung geschickt. Mein Töchterlein kam immer öfter zu mir und beklagte sich über ihren Vater. Sie durfte ihre „große Liebe“ nicht mit nach Hause bringen. Sie durfte ihn nicht so häufig sehen, wie sie gerne wollte und sie hatte eine, minutiös genau vorgeschriebene Zeit, zu der sie wieder zu Hause zu erscheinen hat. Andernfalls könnte sie ja zu ihrer Mutter ziehen, wenn sie sich nicht daran halten würde. Diese Sprüche kamen immer öfter und auch immer lauter.

Es kam, wie es kommen musste und abzusehen war. Die Situation spitzte sich zu und mein Töchterchen kam und wollte nun bei uns wohnen, da Papa sie nicht verstand und ihr auch noch ihren Freund verbieten wollte. Zudem hätte Papa sie eh rauswerfen wollen, wenn sie die Zeiten nicht einhält. Da wollte sie dann lieber von selbst gehen. Sabrina wohnte fortan bei uns und ich war glücklich darüber.

Ihr Vater hatte sich damit ein Eigentor geschossen, welches er nicht vermutet hatte und auch so nicht gewollt hat. Nachdem sein erster Frust vorbei war, ca. eine Woche später, haben sich dann auch wieder einigermaßen vernünftige Gespräche angebahnt zwischen Sabrina und ihrem Vater. Er meinte dann, es täte ihm leid, dass er so gehandelt hat und sagte ihr, sie könne wieder einziehen und er wollte versuchen, auch mit ihren Freunden klar zu kommen. Doch Sabrina hatte sich entschieden bei mir zu bleiben und versprach, den Papa ganz oft zu besuchen. Diese Entscheidung nahm er dann hin, da es keine andere gab.

Sabrina ist und war so, wie alle, oder fast alle Mädels sind. Eine zickenhafte Zicke, welches sie zu jeder Uhr- und Tageszeit bis ins Kleinste zelebrieren konnte, mich an den Rand des Wahnsinns brachte und das am liebsten mehrmals täglich. Sie zickte hier und zickte da und versuchte ihren Willen durchzusetzen nach dem Motto: „Ich Boss, du nix!“ Meine Nerven lagen blank und ich wusste manches Mal nicht, was ich noch machen sollte. Alle Versuche, mit ihr vernünftig zu reden, ihr zu erklären, warum ich so handle, wie ich es tue, schlugen fehl. Selbst bei meinem Lebensgefährten probierte sie ihr Glück und zickte herum um ihre Grenzen zu ertesten. Er jedoch ließ sie auflaufen, indem er gar nicht oder mit einer ruhigen Ansage reagierte  und sie gab ihre Bemühungen schnell auf.

Gemälde 1

Habe oftmals nachgegeben, wo ich nicht hätte nachgeben dürfen, was die Situation nicht gerade verbessert hat. Doch ich wusste mir manchmal nicht anders zu helfen. Ich weiß und es braucht mir auch niemand zu sagen, dass ich viele Fehler in dieser Zeit begangen habe. Doch ich habe daraus gelernt. Nicht, dass ich heute keine Fehler mehr mache. Jede Menge sogar noch und das ist auch gut so, sonst wäre ich kein Mensch.

Doch ein Spruch meines heutigen Mannes war schon immer:“ Du darfst immer Fehler machen. Jeden Tag und immer wieder. Doch mach die Fehler nie ein zweites Mal. Zieh deine Lehren aus dem erstmals begangenen Fehler.“  Das hat sich in meinem Kopf eingebrannt und ich weiß, er hat Recht. Er hat auch ebenso Recht gehabt, indem er mich über meine verfahrene Situation aufklärte und mir sagte, dass ich ganz alleine daran Schuld trage.

Er hat von Beginn unserer Beziehung stets gesagt, dass wir zusammen sind, jedoch er sich nie in die Erziehung meiner Kinder einmischen wird, weil es ihm nicht zusteht. Das ist meine Sache als Mutter und er hält sich da raus. Eine gesunde Einstellung, die leider längst nicht überall in anderen Patchwork- Familien gelebt wird. Damit will ich nicht sagen, dass der Partner nichts sagen darf, aber sich in manchen Dingen schlichtweg raushält. Da, wo es angebracht ist.

Als Sabrina bei uns einzog, bekam er monatelang und hautnah mit, wie die Situation zwischen meiner Tochter und mir  immer unerträglicher wurde. Mein Nevenkostüm wurde dünner und ich immer ratloser. Eines Tages, in einer ungestörten Minute meinte mein Herzblatt dann zu mir:“ Weißt du, dass nur du alleine Schuld an der ganzen Situation mit deiner Tochter trägst? Ich habe mir geschworen, mich nie einzumischen und das will ich auch jetzt nicht, doch ich mag es mir und meinen Ohren nicht mehr zumuten, dass jeden Tag Zickenkrieg zwischen euch herrscht“!

Ich schaute ihn ganz erstaunt an:“ Wie kommst du denn darauf? Ich bin ja schließlich diejenige, die darunter leidet, wie sich meine Tochter aufführt und sie beginnt ja auch ständig mit ihren Zickereien. Ich kann doch gar nichts dafür und möchte auch am liebsten Ruhe haben!“  Ich redete und redete und weiß nicht, wie lange ich geredet habe, um ihm zu erklären, dass ich doch nur, wirklich nur die Leidtragende bin und nichts anderes.

Er hörte mir eine Weile zu und meinte dann:“ Es stimmt nicht und du hast eine falsche Wahrnehmung des Ganzen. Du denkst nicht nach und indem du auf die Forderungen und Zickereien deiner Tochter eingehst und dich auf die gleiche Stufe stellst, bist du nicht besser. Wie soll sie denn von dir lernen, wie eine Diskussion geführt wird, wenn ihr zusammen nur rum zickt, ohne Sinn und Verstand? Du hast die Pflicht, ihr  zu zeigen, wie man sich seinem Gegenüber verhält, um seine Wünsche durch zu setzen. Beobachte dich mal selbst, wie du dich im nächsten „Schlagabtausch“ mit deiner Tochter verhältst. Du stellst dich mit deinem Verhalten auf die gleiche Stufe wie sie und dabei solltest du als Mutter ein Vorbild sein. Versuche mit der Situation ruhiger umzugehen und sobald du merkst, dass sie wieder versucht, dich in ihren „Pubertäts- Amazonen- Krieg“ mit hinein zu ziehen, dann geh aus dem Zimmer, sag ihr ruhig, aber bestimmt, dass du dich erst auf ein Gespräch mit ihr einlässt, wenn sie ebenso ruhig und sachlich bleibt. Entzieh dich ihren verbalen Giftpfeilen. Wenn sie merkt, sie kommt damit nicht weiter, dann wird sie irgendwann einsichtig werden und du kannst deinen Nerven wieder ein freundliches „Hallo entgegen schleudern“.“

Nach diesem Gespräch wurde ich sehr nachdenklich. Stimmt, er hat Recht und aus dieser Sichtweise habe ich das noch nie betrachtet. War ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, Scherben aufzusammeln und gleichzeitig mit Geschirr zu werfen, wie auch meine Tochter. Natürlich allesamt verbaler Natur. 😉

Die nächste hitzige Unterhaltung und noch ganz viele hinterher, haben nicht viel Erfolg gezeigt. Jedoch ich kann, wenn ich will auch ganz stur und geduldig meinen Weg gehen, wenn ich überzeugt bin. Mein Mann hat mich überzeugt, dass ich handeln muss. Also tat ich, wie mir geheißen und verhielt mich ruhig, sagte meinem Töchterlein, sie könne jederzeit mit mir reden, sofern es in ruhigen und vernünftigen Bahnen abläuft und ging aus dem Zimmer, sobald sie ihre Zickentour startete.

Schmunzelnd denke ich zurück und muss feststellen, dass ich noch nie so oft die Zimmer gewechselt habe und mich auf der „Flucht“ vor den Giftpfeilen meiner Tochter befand. Für Außenstehende bestimmt ein Augenschmaus, der einem die Lachtränen in die Augen getrieben hätte..

Nach vielen Wochen konnte ich dann endlich einen kleinen Erfolg spüren. Meine Tochter spürte auch etwas. Nämlich, dass sie mit mir und meinen Ohren nur rechnen konnte, sofern sie ruhig und vernünftig blieb. Nach langen Kämpfen haben wir nun das erreicht, was beide in ihrem Innern sich immer schon sehnlich gewünscht haben. Frieden in uns und im Mutter- Tochter- Verhältnis Ruhe und Verständnis für alle kleinen und größeren Nöte. Heute ist sie selbst auch Mutter und versucht sich Gehör und Durchsetzungsvermögen zu verschaffen. Das ist auch kein leichtes Ding, denn ihr Sprössling, der kleine Terrorzwerg und mein kleiner Enkel Leon hat viel von seiner Mama geerbt. So ist der Lauf der Dinge und so sind sie halt, die kleinen und großen Menschen. Es ist nicht leicht ein Mensch zu sein.

Nun wünsche ich euch allen einen wunderbaren, vor allen Dingen friedlichen Start in den heutigen Feier- Freitag

liebe Grüße

Heike