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Und wieder ist es Nacht. Eine Nacht, in der meine Gedanken nicht zur Ruhe kommen. In der Nacht ist das Leben größer. Es ist nicht mehr an die Hetze und die Arbeitsmaschinerie gebunden, die einen Tag nicht ruhen lässt. Die Gedanken werden groß, jedoch auch die Lebenssorgen und Ängste werden einem jetzt so richtig bewusst.

Ganz leise sitze ich, sehe zu, wie die Hände über die Tastatur des Laptops fliegen und die Buchstaben wie aus dem Nichts aus dem Labyrinth meiner Gedanken erscheinen und sich auf dem virtuellen Papier niederlassen und dort für die Ewigkeit verweilen möchten.

Wieder einmal merke ich, wie so oft in der letzten Zeit, dass ich viel zu wenig Gedanken niedergeschrieben habe. Wieder einmal bin ich so angefüllt davon, dass mein Kopf nicht zur Ruhe kommt und meinen Körper nicht schlafen lässt.

Und erneut muss ich mich vom Ballast befreien, damit das Gleichgewicht meiner Mitte seinen Ruhepol wiederfinden und schlafen kann.

Voller Energie schaffe ich die zeitintensive und gleichzeitig motivierende, starkmachende Arbeit. Das positive Feedback ist Balsam für die Seele. Die Arbeit mit den Menschen macht mir Spaß. Kaum etwas Anderes gibt dir so viel zurück, wie ein Mensch mit einem Lächeln im Gesicht, nachdem man ihm helfen konnte, seinen Alltag ein wenig zu stützen. Selbst kleine Gesten und Hilfestellungen haben eine große Wirkung und richtig eingesetzt, füllt sich auch der eigene Krafttank wie von selbst und immer wieder aufs Neue.

Es  ist  immer wieder  eine  große  Freude, helfen zu können. Dafür  braucht  es  ganz oft nur ganz wenig.  Doch das Wenige,  was man selbst beitragen kann, wird zu einem großen Schritt  für den Menschen, dem wir helfen. Ein offenes Ohr, kreative Auseinandersetzung mit der individuellen Problemstellung, fachliche  Informationssammlung. Eine Prise Motivation, eine  Portion mutmachende Worte, eine Handvoll  Wertschätzung  gepaart mit Authenzität  und einer Wanne voller Empathie können  wir  im Erfolgsfall ein Rezept für die Ewigkeit eines  Menschenleben mitgestalten und kreieren. Dabei wirken wir  nur  als Beikoch, Würzer,  Salateuse  oder  Sahneverzierer. Der  Sternekoch ist und bleibt der  nutznießende Mensch. Ihm gebührt der Michelinstern  des  Lebensweges. Die  wärmenden  Sonnenenergiestrahlen streifen dann auch  die unsere  Wange und lassen uns lächeln.  Dass wir dabei nur die Statistenrolle übernehmen, ist nur gut und richtig. Jeder  ist seines  Glückes  eigener Schmied!  So ist es immer  schon gewesen und so soll es auch  bleiben!

Dabei fällt mir gerade so  ,im gedanklichen Vorbeigehen, eine Aussage  meines Sohnes  ein, der sein Leben mit Handicap meistert.  Es ging  im Gespräch darum, dass er  die Prinzessin, die er  seine Freundin  nennen  möchte, noch  nicht finden  konnte, so sehr er sich  auch in seiner grenzenlosen Gutmütigkeit  danach sehnt.  Bei diesem Gespräch  erzählte ich  ihm von diesem Spruch und er erwiderte  darauf, dass er  mit dem  Thema bisher  noch nicht allzuviel zu tun hatte. Dazu muss ich noch  erwähnen, dass es  meinem Sohn aufgrund seiner kognitiven Beeinträchtigung schwerfällt, zwischen den Zeilen  lesen zu können. Die Sinnhaftigkeit der versteckten  Aussagen  dahinter bleiben ihm oft verborgen. Deshalb ist es so manches  Mal überaus charmant  und lustig, seinen Interpretationen  über das Gesagte  zu folgen. Dabei lacht er  selbst am meisten  darüber, wenn man ihn  über die wahren Hintergründe der Aussage  in einer, für ihn verständlichen Art aufklärt.

Doch nun wieder zum  eigentlichen „Kochrezept“ und der  Statistenrolle zurück!

Im Rahmen meiner  Tätigkeit in der Heilerziehungspflege  begleite ich  Menschen, die aufgrund von psychischen, geistigen oder  körperlichen  Beeinträchtigung Unterstützung benötigen.  Die Wohnformen sind  dabei ganz  unterschiedlich  und werden  möglichst auf die Bedürfnisse der  jeweiligen Menschen angepasst. Es gibt stationäre, teilstationäre Wohneinrichtungen, sowie das ambulant betreute Wohnen. Ich selbst  arbeite in einer ambulant betreuten Wohnform.  Die Menschen wohnen in ihrer  eigenen Wohnung und werden von uns betreut und  im  alltäglichen Leben  dort  pädagogisch  unterstützt und  angeleitet, in  der sie Hilfe benötigen.

Mir ist durchaus bewusst, dass wir  mit unserer Rolle  als möglicher Weichensteller auf dem Lebensweg unserer Betreuten  eine riesige Verantwortung  übernehmen.  Die Seele eines jeden Menschen ist  ein empfindsames  Pflänzchen,  welches  schon  bei der geringsten Erschütterung  entwurzelt  werden kann.  Seelen haben nun mal keine Hornhaut, die Widerstände  trotzig abwehrt  und  im Wind kerzengerade  stehenbleibt.  Umso schöner  ist es und zufriedener macht  es mich, wenn ich  als  kleines Zahnrad  eine winzigkleine Bewegung  für das große  Leben in Gang bringen  konnte.

Beispielsweise gestalte ich  mit einigen Schützlingen ein „Ich- Buch“, in dem  sie  ihre  Geschichte und ihre bisherigen Erfolge  im Abenteuer des Lebens  in der Zusammenfassung  jedem zeigen können und vor allen Dingen sich  selbst bewusst werden, welche Hürden  bereits gemeistert werden konnten. Das macht Mut  und gibt Motivation um  aus  den weiteren Steinen  auf dem Lebensweg etwas Schönes zu bauen.  Dem Abenteuer  Leben mit einem Lächeln  begegnen  und sicher  zu sein: „Ich schaff das schon!“

Ein solches „Ich- Buch“  kann ganz unterschiedlich und individuell gestaltet werden.  Darin beschreibt  der Mensch  innerhalb der Biografiearbeit  zunächst sich selbst, sein eigenes Umfeld  mit Familie und Freunden, seine Hobbys  und Interessen. Das Ganze  wird dann mit Fotos, vielleicht auch eigene Zeichnungen abgerundet.  Dieses „Buch“  kann z.B. auch die eigentlichen IHP`s  (individueller Hilfeplan  als Grundlage  zum Antrag für Fachleistungsstunden beim LVR) unterstützen.

Sehr viel Aufmerksamkeit wird dabei den Zielen und Wünschen gewidmet. Das ist  für  uns als  Helfer  ein wichtiger  Aspekt, denn daraus bildet  sich der  Unterstützungsbedarf des Einzelnen und wird  in  den  Fokus unserer  Arbeit gesetzt. Ein möglichst, je nach kognitiven Fähigkeiten, selbstbestimmtes  Leben  führen zu können und Resilienz  aufbauen, damit man auch dem Sturm die Stirn bieten  kann.  Selbstwirksamkeit erfahren und Selbstbewusstsein  aufbauen. Ein jeder Mensch wird dabei individuell begleitet, unterstützt  oder angeleitet und bestenfalls machen wir uns  als Helferpool irgendwann entbehrlich. Unser Ziel ist es, dass wir  das an Hilfe geben, was möglich und vor allen Dingen gewünscht ist   und dabei  nur soviel wie nötig.

Gerade im Moment muss ich  nun lächeln und denke an die Werbung  im  Fernsehen, in der es, glaube  ich, um eine Versicherung  geht: „Mein Haus, mein Boot, mein…. Es muss nicht immer  das ganz Große  Ziel  sein, welches man im Leben erreichen möchte. Ich für meinen Teil  würde  sagen, wenn ich  im Jargon  der  Werbung bleibe:  „ mein erfülltes  Leben, meine  tolle Familie, meine  Freunde und mein  Wunschberuf“. Dabei ist  es nicht so, dass ich nicht noch weitere Wünsche und  Ziele im Leben habe. Wenn dem nicht so wäre, könnte ich nun  die Reise in die Stille nach dem Leben beginnen.  So blicke ich nur mal auf einen Moment über die Schulter schauend  zurück, was bereits geschafft ist  und sehe dabei eine  Straße, die mit bunten  Steinen  gepflastert  ist. Ein Stein  schöner  als der  andere und freue mich darüber. Danach blicke ich wieder nach  vorne und lächle der Gegenwart entgegen.

Die Nacht ist mittlerweile dem Morgen gewichen, die vorher noch ruhelosen  Gedanken  blicken  nun federleicht und wohlwollend auf das  Geschriebene.  Mein heutiges Abenteuer Leben  kann beginnen. Es gibt viel zu tun, packen wirs an!

Ich  wünsche euch allen einen wunderbaren Tag mit Sonne im  Herzen  und  um euch herum!