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Herz 2

Seit Menschengedenken ist sie da. Sie, zunächst  als  winzig kleines Fünkchen, ein Hauch  von  Nichts. Dann breitet sie sich langsam aus, durchströmt  unsere  Glieder, arbeitet sich  voran  zur kleinsten Zehenspitze. Macht kehrt und dringt vor  zur  Fingerkuppe. Derweil  breitet  sie sich im  ganzen Körper  immer weiter  aus, bis dass  kein  Nanometer  mehr  frei bleibt. Ist das vollbracht, fängt sie  an, Wärme zu  verbreiten, ein wohliges  Gefühl, dass die Hormone sofort  anfangen  Ringelreihen zu  tanzen und dabei  jubilieren sie in  ihren schönsten  Tönen. Frau Endorphine und Tante  Euphoria  geben  ihr Stelldichein, reichen Herrn Dopamin und  Onkel Serotonin  die Hände. Gemeinsam  tanzen sie den Tango der Gefühle. 

Apropos Gefühle! Ich empfinde so langsam das Gefühl, dass der Hafer anfängt  zu stechen und  ich mich mal wieder vor lauter  Euphorie und Überschwang im Labyrinth der  eigentlichen Geschichte von  heute verliere und  nur noch dummes Zeugs babbel.

Einsicht ist der erste Schritt, denke ich  und  kehre  nun auch  wieder  zurück  zur eigentlichen  Linie meiner heutigen  Gedanken. Ein  letzter Blick  auf das  anfänglich Geschriebene geworfen, lässt mich denken, dass es  sich so oder so ähnlich anfühlen  kann, wenn einen das Gefühl  übermannt. Das ganz  besondere  Gefühl von  Liebe.  Die Liebe ist  einem jeden bekannt und wer sie einmal erlebt hat, ist stets auf der Suche  nach ihr. Fasziniert von der Übermacht sind wir wehrlos  und  schmachten  nach der  großen Liebe, die unser Leben krönt. Leider gibt es auch  viele, die in  unglücklichen  und lieblosen  Partnerschaften verbunden  sind, nicht fähig, sich aus ihnen  zu lösen. Es gibt auch hier hunderttausend  Gründe. Doch, dies alles zu  erörtern, würde den  Rahmen  dessen bei weitem sprengen für das, worauf ich in meinem heutigen Beitrag näher herangehen möchte.

Für uns, die zumeist das Zepter des Lebens selbst  in der Hand  haben, gibt es heutzutage schier  unendliche Möglichkeiten, einen  Partner zu  finden.  Ob  es jeweils der richtige Weg ist und  ob sich wirklich  ein passendes Pendant unseres Herzen  finden  lässt, ist nicht zu sagen.  Genauso  haben  wir auch die Möglichkeit, es sein zu lassen, wenn man sich selbst genug ist, für einen Lebensmoment, eine Zeitlang oder auch ein ganzes Leben. Das nennt  man  Selbstbestimmung und ist eine Sache  des  Menschseins, welches im Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 GG) verankert ist.

Doch, wenn wir unsere  Mitmenschen  betrachten, gibt es eine Vielzahl, die  aufgrund  ihrer Beeinträchtigung, gleich welcher Art,  gar nicht erst die Möglichkeit haben, einen geeigneten Partner zu finden. Manche, die kognitiv dazu  in der Lage sind, sich auf die Suche zu begeben, machen oft schlechte Erfahrungen, werden finanziell ausgenutzt, wenn sie sich auf dubiosen Internet- Herzvermittlungs- Seiten  einlassen.  Manch einer, dessen Alltagsbewegungsradius sich nur auf die WfbM (Werkstatt  für beeinträchtigte Menschen)  und ihrer Wohnstätte mitsamt den  Betreuern und Mitbewohnern  beschränkt, hat es nicht gerade einfach, sich  auf die Suche zu begeben  und auch fündig zu werden.  Ach, es gibt tausend Gründe dafür, warum  das Scheitern  der Suche  ein ewiger Kreislauf ist. Dabei fühlen diese Menschen  genau wie wir, haben die gleichen Träume wie wir, leben das gleiche Leben auf dieser Welt und sie haben ein solches Recht darauf, auch glücklich zu werden.  Gerade sie, die oft vom Schicksal ein hartes Los auferlegt bekommen.

Dies macht mich in manchen  Momenten unendlich traurig. Weiß ich doch, mit meiner großen  Liebe in Form meines Mannes an meiner Seite, wie glücklich und zufrieden das Leben sein kann. Das Leben hat noch  genügend andere Hürden, die es  zu stemmen  bedarf, die Liebe sollte jeder erfahren. Ich  wünsche dieses Glück auch wirklich jedem  auf dieser Welt. Doch  ich  kann  als klitzekleines Lebenslicht nicht die  ganze Welt retten.

Doch  ich wäre nicht ich, wenn ich in meinem  winzigen Lebensradius im Kleinen wirke und  versuche, ein paar  dieser  Liebeshürden  zur Seite zu rücken, damit der Blick die Sicht  nach vorne  ungetrübt  gelingen kann. Die Hoffnung  stirbt zuletzt. Doch wer die Hoffnung aufgibt, hat bereits verloren.  Meine Hoffnung auf ein paar Happy-endings   ist schier unerschöpflich.

Mein Sohn Sascha, der sein Leben, wie schon  häufiger in meinen Erzählungen erwähnt, ebenfalls mit Handicap bestreitet, ist ein junger Mittdreißiger und  ein wahrer Charmeur vor dem Herrn. Sämtliche Damen werden bei ihm um mindestens  10  Jahre jünger geschätzt  (das gefällt den  Frauen  ganz besonders!), werden von ihm mit Kaffee bewirtet und auf gedanklichen Händen getragen und hofiert, dass es eine Freude ist.  Tief in seiner Seele, auch in seinem Verhalten ist er dennoch ein Mensch der  zutiefst sensibel und mitfühlend ist. Gerade solche Menschen  sind willkommenes  „Futter“ für einige, nicht so nette Mitmenschen. Doch dies nur  am Rande. Sascha ist schon seit vielen Jahren auf  der Suche nach einem Mädel an seiner Seite. Eine, die zu ihm gehört und die er auf Händen tragen kann. Halt auf der Suche nach seiner großen Liebe, von der er so viel zu geben hat.

Ich gestalte  bereits seit einigen Jahren  im Rahmen meines  Jobs eine Samstagsgruppe für unsere Klienten. Das Treffen ist jeweils 14-tägig, dauert je nach Thema  ca 2- 2,5 Stunden  und findet in  den  unseren Büroräumen statt. Die Themen werden  auf die lebenspraktischen Dinge im Alltag ausgewählt, die sich  unsere Klienten wünschen. Neben gesunder Ernährung, Musizieren, Hobbys, Haushaltskniffe, Stress/Entspannungsmöglichkeiten  sind viele weitere Themen bereits behandelt worden und  erfreuen sich immer wieder großer Beliebtheit  und Wiederholungsbedarf.

Um zum Thema zurückzukommen…

Mein Sohn kam vor einigen Monaten  mit der Frage, ob wir nicht eine Singlebörse, eine Partnersuche  als Thema  in der Samstagsgruppe behandeln können. Das Thema wurde in der Gruppe vorgestellt  und fand bei allen großes Interesse. Einige von ihnen haben sich bereits selbstständig auf die Suche gemacht und sind im Internet meist auf werbeintensiven Seiten mit verdeckten Kostenfallen gestoßen. Also startete  ich meine Vorbereitung des „Workshops“.

Mein Ansatz war es nun, dem Thema einen strukturierten und aufklärenden Rahmen zu geben, bevor wir das eigentliche Thema der passenden Partnersuche beginnen.

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Ich habe Internetrecherchen betrieben, habe mich auf den unterschiedlichsten Singleportalen eingelesen und habe die Informationen zusammengetragen. Im Internet habe ich ebenso auch seriöse Ratgeber für die Partnersuche von Menschen mit Handicap besucht und relevante Informationen auch hier zusammengestellt.

Daraufhin konnte das Thema mit dem Informationsmaterial in leichter Sprache und jeweiligen Kopien, welche an die Teilnehmer für ihre Mappen ausgeteilt wurde, zu einem Gruppentreffen behandelt werden.

Begonnen habe ich mit einem Vortrag über die Bedürfnisse eines jeden Menschen (angelehnt an der Bedürfnispyramide nach Maslow)

Nach der Gesprächseinleitung habe ich die Teilnehmer befragt, ob sie bereits Erfahrung mit der Partnersuche haben. Die meisten von ihnen suchen schon seit langer Zeit oft vergeblich und resignieren zunehmend. Erfahrungen mit Partnerbörsen im Internet haben ebenfalls einige mit oft negativem Ausgang gemacht (versteckte Kosten etc.)

Der nächste Aufklärungspunkt war das Thema „Risiken durch Online- Single-Portale“ und woran man seriöse Single- Portale erkennt (Infomaterial ebenso als Broschüre in leichter Sprache).

Nachdem die Risiken besprochen wurden, folgten die Überlegungen nach den Möglichkeiten. Während dem Gesprächsaustausch bildete sich dann die Idee, selbst eine Art Partnerbörse ins Leben zu rufen. Ideen hierzu wurden zusammengeführt. Um den Wirkungskreis zu vergrößern und damit auch das Gelingen zu steigern, wurde besprochen, inwieweit man durch Plakat- Aushang am schwarzen Brett der WfbM (Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung) und anderen Werkstätten im nahen Umkreis in Gang bringen kann um möglichst großen Zulauf des Single- Spiele- Abend zu erhalten.

Zunächst wurden aus den Gruppenteilnehmern jeweils ein Mitarbeiter aus der WfbM sowie ein Mitarbeiter der anderen Werkstatt damit beauftragt, bis zum nächsten Gruppentreffen den pädagogischen Dienst der jeweiligen Werkstätten zu befragen, ob die Erlaubnis eines Plakats bzw. Verteilung von Flyern innerhalb der Werkstätten möglich sei.

Die Idee mit dem Single- Spieleabend wurde vom sozialen Dienst sehr begrüßt und man bat mich, zunächst einen Flyer zu erstellen, damit man diesen dem Betriebsstätten Leiter zur Genehmigung vorlegen kann (in der Regel werden Werbung und Aushänge nicht gern gesehen). Den Flyer habe ich dann in Berücksichtigung der Anschaulichkeit für Menschen mit weniger oder mehr Beeinträchtigung erstellt, damit auch MmB, die nicht lesen können, erkennen, um welche Veranstaltung es sich handelt. Dieser wurde dann an den pädagogischen Dienst der Werkstätten weitergeleitet zur Vorlage an die Leitung.

 Die Erlaubnis wurde erteilt und das Plakat hängt in den Werkstätten aus. Die Flyer wurden in der Auflage von 5000 Stck gedruckt und die ersten Anmeldungen fanden schnell einen Platz auf der Liste. Bei gutem Verlauf sollten  die  regelmäßigen Treffen einen  festen Platz in den Freizeitaktionen erhalten. Die Teilnehmer der „Bewusst- Leben“ Gruppe haben mit mir gemeinsam den Ablauf  und die Vorbereitungen dieser Treffen gestaltet. Einige dieser Treffen haben bereits stattgefunden. Der Anfang ist schon recht mühsam. Meist waren es zunächst Männer und viel zu wenig Frauen, die sich angemeldet haben.  Doch wenn wir daran arbeiten und  immer genügend  Mundpropaganda betreiben, wird der Männerüberschuss bald ausgeglichen sein. Dazwischengekommen ist und nun nur die Sache mit dem COVID19. Die Treffen liegen derzeit immer noch auf der Wartebank und warten  darauf, dass sich  bald wieder die Möglichkeit weiterer Treffen und ein mitlaufender Erfolg  ergibt.

Ich werde dranbleiben und die Hoffnung, die ich in  mir trage, wird nicht aufhören, daran  zu glauben, dass die Zeit  kommt, dass sich einige Herzen finden  werden, die im Gleichklang  den  Tango der Liebe  tanzen.

Einen wunderbaren und liebevollen Tag ❤ wünsche ich  euch allen!